Vom Arztbesuch bis zum Unterricht, vom privaten Surfen bis zum Reisen: Die Digitalisierung verändert unser Leben. Doch wie stellt sich das Land darauf ein?
Bernhard Hiergeist war für LEAD digital im Gespräch mit Menschen, die an den digitalen Schnittstellen sitzen. Eine davon war ich. Wagt einen Blick über meine Schulter, hier ist der Artikel:
Digitale Bildung
Marja-Liisa Völlers, SPD-Abgeordnete und LehrerinBei einer Klassenfahrt nach Berlin hat Marja-Liisa Völlers einmal ein Experiment gewagt: Die Lehrer waren für die Eltern immer zu erreichen, die Schülerinnen und Schüler dagegen ließen ihre Smartphones zu Hause. Nach einem Tag des Meckerns, erzählt Völlers, fingen sie an, sich miteinander zu beschäftigen: Sie erzählten, malten, spielten Fußball und Handball. Niemand störte sich mehr daran, was umso krasser wirkte, als eine andere Schulklasse in der Unterkunft ankam, die sich dann hauptsächlich in der WLAN-Zone aufhielt. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht unsere komplette Kommunikation in die digitale Welt auslagern“, sagt sie. Die Klassenfahrt sei eine interessante Erfahrung gewesen. Ein pauschales Handyverbot an Schulen findet sie aber übertrieben. Völlers ist keine Verfechterin der These, der man in alarmistischen Elternratgebern begegnet, dass Smartphones Kinder dümmer machen. „Man kann sie auch in den Unterricht integrieren“, sagt sie. „Vorausgesetzt, es liegt dem ein pädagogisches Konzept zugrunde.“ An einem Konzept, wie sich Schule zum Internet und Digitalen verhalten soll, schien es Deutschland in den vergangenen Jahren zu mangeln. Mit fünf Milliarden wollte die ehemalige Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) mit dem „Digitalpakt Schule“ die Digitalisierung der Schulen vorantreiben. Bund und Länder verhandelten lange. Bei der Vorstellung der Ergebnisse tauchte Wanka dann aber nicht auf. Der Pakt lag wieder auf Eis. Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht einen neuen Anlauf vor. Mit dem „Digitalpakt#D“ sollen alle Schulen flächendeckend digital ausgestattet werden. Zur Verfügung stehen dafür (über die laufende Wahlperiode hinaus) fünf Milliarden Euro. Die Grundlage dafür wurde schon in der vergangenen Legislaturperiode geschaffen: Bildung ist an sich Ländersache, der Bund kann nun aber Geld zuschießen, nicht nur an finanzschwache Einrichtungen. Lehrkräfte, die nicht so digitalaffin sind, will Völlers besser ausbilden lassen, letztlich müsse aber jeder seine eigene Methode des Lehrens finden. Es gehe auch nicht darum, dass Lehrer oder Eltern auf sozialen Netzwerken aktiv sind. Aber sie müssten wissen, in welchen virtuellen Welten sich ihre Kinder bewegen und als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Schüler müssten wissen, wer Informationen im Netz zur Verfügung stellt, wer wen wie beeinflussen will und warum. „Am Ende soll ein über all das nachdenkender mündiger junger Bürger herauskommen.“ Große Koalition hin oder her: In ihren ersten vier Jahren im Bundestag sieht sich Völlers als Bildungspolitikerin vor allem als Vertreterin des Parlaments. „Da geht es darum, auf die Regierung und Bildungsministerin Frau Karliczek einzuwirken, vor allem wenn Dinge verschleppt wurden“, sagt sie. Digitalisierung, Föderalismus, Eitelkeiten: Hat Völlers keine Bedenken, dass die vier Jahre anstrengend werden? „Ich hoffe doch, dass sie anstrengend werden. Das würde nämlich bedeuten, dass wir alles gegeben haben.“