Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Nele und Emil, beide zehn Jahre alt, gehen jeden Tag gemeinsam von ihrer Dorfgrundschule nach Hause. Da Neles Eltern beide in schlecht bezahlten Jobs arbeiten, ist Teilzeit für sie keine Option. Die Großeltern leben weit entfernt. Nele isst alleine Mittag, guckt etwas Fernsehen und versucht, für die Deutscharbeit am nächsten Tag zu lernen. Lust hat sie keine; denn so richtig versteht sie nicht, um was es da morgen gehen wird.
Emil hingegen wird bereits von seiner Mutter erwartet. Während sie das Mittagessen zubereitet, telefoniert sie noch schnell am Handy mit einem Kunden. Beim Üben für die Klassenarbeit hilft seine Mutter bei Fragen, beantwortet aber dabei liegengebliebene E-Mails auf dem Tablet; denn so richtig angepasst an das neue Arbeitspensum wurde ihre Teilzeitstelle nicht.
Beispiele wie diese zeigen, wie wichtig unser Vorhaben ist, für eine bessere Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter zu sorgen.
Wir wollen bis zum Jahr 2025 für jedes Grundschulkind einen Rechtsanspruch schaffen. Das sind ein wichtiger Schritt hin zu echter Vereinbarkeit von Familie und Beruf und vor allem ein Motor für bessere Chancen für alle Kinder in unserem Land.
Uns geht es dabei nicht um acht Stunden Frontalunterricht. Wir wollen einen Ganztag, der Raum zur individuellen Entwicklung eines jeden Kindes gibt, einen Ganztag, der die schulische ebenso wie die musische oder sportliche Bildung im Blick hat. Dazu braucht es eben Strukturen, in denen Schulen, Horte, Kinder- und Jugendhilfe, Sport- und Musikvereine auf Augenhöhe zusammenarbeiten können. Und es braucht gut ausgebildetes und gut bezahltes Fachpersonal. Der Rechtsanspruch darf nicht zu schlecht bezahlten und befristeten Stellen führen.
Mir ist bewusst, dass die Ausgangslage hierzu alles andere als einfach ist. Wir haben in den Bundesländern sehr unterschiedliche Startvoraussetzungen, sowohl was das Ganztagsangebot an sich angeht, als auch was das Fachpersonal und die finanziellen Spielräume betrifft. Deshalb brauchen wir einerseits bundesweite, klar definierte Qualitätsstandards und andererseits ausreichend Flexibilität, um diese Standards zu erreichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Ministerinnen Karliczek und Giffey.
Mit dem Ganztagsfinanzierungsgesetz, das wir heute in erster Lesung beraten, setzen wir den Startschuss für den Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. Mit diesem Gesetz stellen wir sicher, dass die bereits zugesicherten 2 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode so lange in einer Art Spardose verbleiben, bis der Rechtsanspruch auch steht; denn bis zur Umsetzung haben wir sicherlich noch einen weiten Weg vor uns. Mit „uns“ meine ich Bund, Länder und Kommunen. Hier stehen wir jetzt alle gemeinsam in der Pflicht.
Es gilt nun, die Chancen, die die Ganztagsbetreuung mit sich bringt, nicht leichtfertig zu verspielen. Lassen Sie uns eine gute Lösung finden, damit Familien hierzulande so leben können, wie sie es wollen, und damit alle Emils und alle Neles die gleiche Chance bekommen, etwas aus ihrem Leben zu machen.
Herzlichen Dank.