Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Diese Plenarwoche ist eine Premiere für unser Parlament, eine ganz wichtige, wie ich finde; denn Nachhaltigkeit geht uns alle an. Nachhaltigkeit ist kein abgedroschenes Modewort, sondern eine Verpflichtung für uns alle. Es ist zweifelsohne nicht bequem, dies immer und jedes Mal mitzudenken, aber wir sind es uns und vor allem den nachfolgenden Generationen schuldig.
Seit gestern gehen wir dieses Thema hier im Bundestag durch. Ich habe mir für die SPD-Fraktion die Bereiche Gesundheit und Ernährung vorgenommen. Was verstehen wir unter nachhaltiger Politik, wenn wir den Aspekt der Gesundheit ein bisschen näher beleuchten? Zunächst können wir ganz sicher eines feststellen: Unser Gesundheitssystem steht infolge der Coronapandemie vor riesigen Herausforderungen. Wir sind bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, dank unserer guten Strukturen und vor allem aufgrund der großartigen Leistung der Mitarbeitenden im Gesundheitssektor.
Wir müssen jetzt aber dafür Sorge tragen, dass unser Gesundheitssystem auch für die Zukunft gewappnet ist. Alle Menschen, ganz unabhängig von ihren Erkrankungen, ihrem Alter, ihrem Wohnort, ihrem Einkommen oder ihrer Herkunft, müssen auch noch in 10, 20 oder 30 Jahren Zugang zu einer qualitativ hochwertigen medizinischen und pflegerischen Versorgung haben. Das sollte unser aller Ziel sein.
Wir müssen die Strukturen fortlaufend verbessern und effizienter gestalten. Wir müssen den Fachkräftebedarf absichern, und wir müssen eine sichere finanzielle Basis schaffen. Ich vermute, die meisten von Ihnen werden wenig überrascht sein, wenn ich jetzt sage, dass wir uns als SPD eine Bürgerversicherung vorstellen könnten.
Corona zeigt uns aber auch ganz deutlich, dass wir im Bereich Prävention besser werden müssen. Zu den Risikogruppen zählen ältere Menschen und Menschen mit chronischen Krankheiten. Gesunde Lebensbedingungen und die Vorbeugung gegen die sogenannten Volkskrankheiten wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ungemein wichtig. Bei Gesundheitsförderung und Prävention besteht daher dringender Handlungsbedarf. Darüber werden wir mit unserem Koalitionspartner von der Union in der nächsten Zeit noch beraten. Herr Kollege Henke, es ist schön, dass Sie sich da so offen gezeigt haben, dieses Thema jetzt forciert anzugehen.
Sorge bereiten darüber hinaus auch die vielen Menschen in unserem Land, die unter Übergewicht oder sogar Adipositas leiden. Die Hälfte aller Frauen und sogar zwei Drittel der Männer in diesem Land sind davon betroffen. 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind übergewichtig, und 6 Prozent davon sogar adipös, also krankhaft fettleibig. Viele von ihnen haben ein hohes Risiko für eine Diabetes-mellitus-Typ-2-Erkrankung. Zum Teil sind sie bereits erkrankt, wissen es aber noch nicht.
Mir geht es an dieser Stelle vor allem um gesundheitliche Chancengleichheit. Kinder und Jugendliche aus armen und von Armut bedrohten Familien ernähren sich weit ungesünder und sind leider überproportional häufig übergewichtig. Ernährungsgewohnheiten werden in der Familie weitergegeben. Dies geschieht natürlich nicht aus Boshaftigkeit oder Leichtsinn, sondern oft schlicht aus fehlendem Wissen darüber, was gesund ist und was nicht gesund ist. Hier müssen wir endlich die richtigen Weichen stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen es den Verbraucherinnen und Verbrauchern leichter machen, sich gut zu informieren und sich dann auch gut und gesund – eben ausgewogen – ernähren zu können. Dafür brauchen wir den Nutri-Score als einfaches, leicht verständliches Nährwertkennzeichnungssystem auf der Vorderseite einer jeden Verpackung, einen Score, der in der ganzen Europäischen Union verpflichtend ist.
Warum? Weil Studien und Befragungen klar gezeigt haben: Im Vergleich schneidet dieses Ampelsystem mit seiner fünfstufigen Farbskala mit den Buchstaben A bis E ganz eindeutig am besten ab, und es ist am leichtesten für alle zu verstehen. Deshalb fordern auch Ärzteschaft und Krankenkassen den verpflichtenden Nutri-Score. Dieser Aspekt ist mir als Gesundheits-, aber auch als Bildungspolitikerin besonders wichtig.
Sehr geehrte Frau Klöckner, stellvertretend Herr Staatssekretär Fuchtel, wir erwarten von Ihnen und der Bundesregierung, dass Sie sich während der deutschen Ratspräsidentschaft für den EU-weit verpflichtenden Nutri-Score einsetzen werden.
Meine Damen und Herren, als SPD ist uns noch eine weitere Sache besonders wichtig: Der Fleischkonsum in Deutschland ist zu hoch. In einigen Teilen unserer Gesellschaft wird das schon sehr lebhaft diskutiert. Wir wollen nicht nur Vegetarierinnen und Vegetarier, Veganerinnen und Veganer erreichen, sondern alle Bevölkerungsgruppen, also auch Menschen wie mich, die sehr gerne einmal ein Mettbrötchen essen. Wir müssen noch viel mehr darauf aufmerksam machen, welche Folgen ein zu hoher Fleischkonsum hat – für die Gesundheit, aber auch für unser Klima. Dabei geht es nicht um ein Bevormunden oder um Verbote, sondern um die Sensibilisierung der Menschen.
Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat erst Ende August dieses Jahres sein Gutachten an die Ministerin übergeben. Darin wird unter anderem bemängelt, dass die Lobby der Lebensmittelwirtschaft einen viel zu großen Einfluss auf Ihr Haus hat. Dieser verhindert, dass Verbraucherinnen und Verbraucher beim Thema „gesunde Ernährung“ unterstützt werden. Und noch schlimmer: Sie werden mit ihrer Verantwortung in vielen Bereichen alleine gelassen. Das muss anders werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union: Geben Sie an dieser Stelle bitte Ihre Blockadehaltung auf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen – ich kommen zum Schluss -, Sie sehen, wir haben noch viele gemeinsame Herausforderungen vor uns. Wenn ich bei der nächsten Nachhaltigkeitswoche hier am Rednerpult stehe und eine Rede halte, möchte ich sagen können: Wir haben gemeinsam Fortschritte erzielt; es geht weiter voran. – Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen!
Herzlichen Dank.