Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Ministerinnen Karliczek und Giffey!
Corona kam, und auf einmal mussten im Frühjahr unsere Schulen und Kitas schließen. Für die Kinder und Jugendlichen bedeutete das nicht nur, dass sie ihre Freundinnen und Freunde nicht mehr sehen konnten, sondern für viele eben auch, dass sie keinen Ort zum Lernen mehr hatten.
Wie groß das Ausmaß des Schadens ist, zeigen jetzt erste wissenschaftliche Studien. Bildungsforscher der Universität Oxford haben die Auswirkung der Schulschließung auf Grundschulkinder in den Niederlanden untersucht. Das Ergebnis bestätigt leider, was viele von uns schon befürchtet hatten: Der durchschnittliche Lernverlust entspricht etwa einem Fünftel des Schuljahres und damit exakt dem Zeitraum der Schulschließung selbst. – Und noch schlimmer: Die Bildungslücke klafft weiter auseinander. Für Kinder, deren Eltern keine Hochschulausbildung haben, war der Verlust an Wissen um bis zu 55 Prozent höher. Das hat natürlich nichts mit dem mangelnden Engagement der Eltern zu tun. Das so deutlich zu sagen, ist mir an dieser Stelle ganz wichtig. Fast alle Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Aber nicht alle können es geben; denn sie haben nicht alle die notwendigen Mittel, zum Beispiel für das nötige Kleingeld, um Nachhilfe zu bezahlen.
Es ist deshalb unsere Aufgabe als Politik, ein gutes Angebot zu ermöglichen. Corona zeigt uns in aller Deutlichkeit, wie wichtig es ist, dass Kinder eine gute Lernumgebung haben.
Diese können wir mit guter Ganztagsbetreuung weiter verbessern. Deshalb sage ich auch ganz klar: Wir brauchen den Rechtsanspruch als ein Angebot.
Es ist gut, dass wir heute mit dem Ganztagsfinanzierungsgesetz einen ersten Schritt auf dem Weg dahin gemeinsam gehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz stehen die Mittel für den Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter ab sofort bereit. Auf 2 Milliarden Euro hatten wir als SPD uns mit der Union im Koalitionsvertrag vereinbart. Bis zu 1,5 Milliarden Euro packt der Bund jetzt bis Ende 2021 obendrauf, um diesem so wichtigen Vorhaben einen zusätzlichen Schub zu geben.
Doch damit das gelingt, müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Da spreche ich jetzt ganz besonders die Kolleginnen und Kollegen aus dem grün-schwarz regierten Baden-Württemberg an. Es ist das einzige Bundesland, das gerade den Abschluss der Bund-Länder-Vereinbarung für die Bonusmittel aufhält. Ist den Kollegen dort eigentlich bewusst, was sie da tun? Sie blockieren gerade den Ausbau der Ganztagsbetreuung in ganz Deutschland, und das in einer Situation, in der wir an allen Ecken und Enden sehen, wie wichtig genau diese Ganztagsbetreuung ist.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir dürfen diese Chance nicht vertun. Als Lehrerin, die viele Jahre an einer Ganztagsschule tätig war, weiß ich sehr gut, was Kinder erreichen können, wenn sie eine gute Ganztagsbetreuung erfahren. Ich hatte Schülerinnen, die innerhalb von einem Schuljahr einen wahnsinnigen Sprung gemacht haben, und Schüler, die sich für Musikinstrumente begeisterten, die sie vorher noch nie gesehen haben.
Guter Ganztag schafft Chancen. Er bewirkt ganz viel – im Bildungsbereich, aber eben auch in den Familien. Wir sorgen damit auch für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir stärken Frauen, die sonst oftmals zurückstecken müssen, und wir stärken die Wirtschaft, indem mehr Fachkräfte zur Verfügung stehen.
Bildungschancen, Familien, Gleichstellung, Wirtschaft – vier Bereiche, von denen jeder einzelne es wert ist, dass wir für den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter kämpfen. Gehen wir diesen Weg gemeinsam.
Herzlichen Dank.