Kürzlich habe ich mich im Mehrgenerationenhaus Haus der Generationen Stolzenau mit verschiedenen Akteuren der Zivilgesellschaft über rechtsextreme Aktivitäten im Landkreis Nienburg ausgetauscht.
Mit dabei waren Rudi Klemm vom Weser-Aller-Bündnis für Demokratie und Zivilcourage (WABE), Kristin Harney von der Mobilen Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus, Martin Guse von der Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau e.V. und Ute Müller als Leiterin des Hauses.
Über die Dringlichkeit dieser Gesprächsrunde waren wir uns bereits vorab einig: „Es ist schon fünf nach 12, nicht nur hier bei uns im Landkreis Nienburg,“ stellten wir im Bezug auf die Aktivitäten radikalisierter Gruppierungen des rechten Spektrums fest. Ob die sogenannten Reichsbürger, „Völkische Siedler“ oder „Indigenes Volk Germaniten“, Anhängerinnen und Anhänger demokratiefeindlicher Bewegungen treten im Nienburger Raum immer mehr auf und werden zu einer Herausforderung, gerade im ländlichen Raum, wo sie das Dorfleben zu beeinflussen versuchen. Bedenklich sei auch der zunehmende Zuspruch, den die AfD erhält, waren wir uns einig.
Problematisch sei auch, dass mancherorts rechte Akteure von den Menschen weithin toleriert würden, gerade wenn sich im Dorfleben jemand durch großes Engagement und Freundlichkeit auszeichne. „Dann heißt es schnell: „Das ist doch ein Netter, der meint das nicht so“, und man sei bei kritischen Äußerungen schnell selbst Kritik ausgesetzt, berichten einige Teilnehmende von ihren Erfahrungen. Zudem sei zu bemerken, so berichtet Tino Schildknecht (SPD), dass sich Rechtsextremismus und rechte Tendenzen in allen Gruppierungen unserer Gesellschaft wiederfinden, unabhängig von Bildungshintergrund und Herkunft.
Eine große Herausforderung sei es für viele Menschen, im Alltag menschenfeindliche Aussagen zu begegnen und sich dem entgegenzustellen. Dies falle nicht immer leicht, ist aber wichtiger denn je. „Denn generell wird dieses rechte Gedankengut mittlerweile in der Gesellschaft häufiger verharmlost“, so Martin Guse. Zudem versuchen rechte Akteure gerade in unseren Dörfern besonders freundlich und eloquent aufzutreten. „Dann natürlich fällt es weitaus schwerer, sich dagegen zu stellen, wenn jemand ansonsten sympathisch wirkt.“
Neben einem Bericht von Rudi Klemm zum aktuellen Stand der rechtsextremen Aktivitäten berichtete Kristin Harney von der Mobilen Beratung Niedersachsen über ihre Arbeit, die dortigen Herausforderungen und die Wünsche, die man zur Sicherstellung dieser wichtigen Projektarbeit an die Politik hat. „Das hohe fachliche Know-how der Mobilen Beraterinnen und Berater kann man nicht oft genug hervorheben“, so Rudi Klemm. „Eine kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Arbeit wird aber durch fehlende Planungssicherheit wegen befristeter Finanzierung erschwert. Daher möchte ich Frau Völlers bitten, sich trotz angespannter Haushaltslage in Berlin für eine Verstetigung der entsprechenden Bundesprogramme einzusetzen“, so Kristin Harney. Dies sei eine wichtige Voraussetzung, um weiter gemeinsam gegen rechtsextreme Aktivitäten vorgehen zu können.
Diese unsichere finanzielle Situation erschwert auch die Arbeit in der Migrationsberatung im Mehrgenerationenhaus, berichtet Ute Müller: „Wer nimmt schon eine Stelle an, bei der man nicht weiß, ob man im nächsten Jahr auch noch Arbeit hat?“ Wenn dann auch noch die Fördergelder gekürzt werden sollen, obwohl es seit Jahren keine Anpassung an die erhöhten Kosten gab, „kommt einem das schon so vor, als ob hier Projekte zu Tode gespart werden sollen“. Doch die Arbeit als verlässliche Anlaufstelle vor Ort ist gerade für die zugewanderten Menschen, die von rechter Meinungsmache und Gewalt besonders betroffen sind, enorm wichtig.
„Auch wiederkehrende Aktionen zur besseren Sichtbarkeit sind wichtig, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen“, weiß Werner Behrens vom DGB Nienburg. Von Seiten des Gewerkschaftsbundes sei man hier sehr bemüht bei jeder Gelegenheit öffentlich Flagge gegen Rechts zu zeigen.
Mir ist der regelmäßige Austausch zum Thema Rechtsextremismus sehr wichtig und bitte darum, von nun an regelmäßig zusammen zu kommen, um sich mit Erfahrungen auszutauschen, aber auch weitere Handlungsschritte zu planen. Spätestens in einem halben Jahr wollen wir uns wieder in dieser persönlichen Gesprächsrunde treffen.