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Zu Besuch bei den Vorreitern der Digitalisierung

Als Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für Digitalisierung in der Bildung war ich vorige Woche in Lettland und Estland. Besonders letzteres gilt als Vorreiter im Bereich Digitalisierung. Auf dem Programm standen Besuche des Deutschen Gymnasiums in Tallin und der Universität in Tartu. Ich habe mich außerdem jungen Unternehmen, lettischen Bildungspolitikern und Vertreterinnen und Vertretern des estnischen Bildungsministeriums ausgetauscht.

Es war eine spannende Reise ins Baltikum, sowohl persönlich als auch politisch. Persönlich hat mich vor allem die unverhoffte Bekanntschaft mit einer Studentin in Riga und einer Praktikantin in Tallin gefreut: Beide kommen nämlich aus meinem Wahlkreis in Nienburg und Schaumburg. Die Welt ist manchmal wirklich klein!

Politisch eindrucksvoll war besonders das flächendeckend schnelle Internet. Ich konnte problemlos während einer Zugfahrt durch ländliche Gebiete ganze Musikalben in Windeseile herunterladen. In Deutschland hinken wir dem noch weit hinterher. Das merke ich in meinen heimischen Landkreisen leider tagtäglich. Hier muss das CSU-geführte Verkehrsministerium noch eine Schippe drauflegen!

Durch Besuche verschiedener Universitäten und Schulen konnte ich einen guten Eindruck der digitalen Lehr- und Lernorte in Estland und Lettland bekommen und finde: Deutschland sollte es der estnischen Stadt Tartu gleichtun und ‚Bildungstechnologen‘ an Schulen einsetzen, die in einem eigenen Studiengang ausgebildet werden. Bildungstechnologen könnten überforderten Lehrkräften bei der Digitalisierung im Unterrichtsalltag behilflich sein – und zwar nicht nur in der Wartung und Pflege von IT Geräten, sondern auch pädagogisch. Insbesondere weiterführende Schulen könnten im Rahmen des Digitalpaktes Schule von Bildungstechnologen profitieren.

Bei der Digitalisierung in der Verwaltung sind Estland und Lettland weit fortgeschritten. Ich sehe die umfassende elektronische Verwaltung jedoch auch kritisch. Lehrkräfte in Estland können zum Beispiel genau nachverfolgen, wann Eltern Zeugnisse ihrer Kinder elektronisch abgerufen haben. Das hat etwas von Sozialdisziplinierung und ist ein zu großer Eingriff in die Privatsphäre von Familien.

Von der didaktischen Aufbereitung elektronischer Geräte im Unterricht hatte ich mir etwas mehr erhofft. Estland hat zwar einen Referenzplan eingeführt, der festlegt, wie Digitalisierung im Unterricht integriert werden kann. Einen ähnlichen Plan haben wir in Deutschland aber auch. Und wegweisende didaktische Konzepte an den besuchten Schulen konnte ich als ehemalige Lehrerin jetzt nicht erkennen.

Letztlich haben sich zwar einige Ansichten relativiert, aber ich bringe durchaus viel Hilfreiches von der Reise für meine Arbeit mit.