Die FDP-Bundestagsfraktion hat einen Antrag zu Künstlicher Intelligenz an Schulen in den Deutschen Bundestag eingebracht. Da ich mich für die SPD-Bundestagsfraktion um die Bereiche rundum Digitalisierung an Schulen kümmere, habe ich für die SPD dazu Stellung bezogen:
Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor ein paar Jahren pumpte die „Bill and Melinda Gates Foundation“ 100 Millionen Dollar in eine private Organisation. Sie sollte ein neues Konzept namens „Learning Analytics“ an amerikanischen Schulen einführen. Der Hype war groß, die Unterstützung prominent und das Geld floss reichlich. Doch nach nur einem Jahr musste die Organisation wieder dicht machen. Puff, 100 Millionen Dollar futsch. Der Grund: Die Eltern und die amerikanische Öffentlichkeit hatten zu große ethische und datenschutzrechtliche Bedenken. Es hatte zu viel Kritik gegen „Learning Analytics“ gegeben.
Als ausgebildete Lehrerin bin ich – auch mit dieser Geschichte im Hinterkopf – immer besonders gespannt, wenn die Arbeits- und Lebenswelt „Schule“ verändert werden soll. So auch heute. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie wollen „Learning Analytics“ an Schulen einführen. Sie möchten also das Sammeln von Daten unserer Schülerinnen und Schüler erlauben.
Diese Daten sollen in Algorithmen eingespeist werden. Die Algorithmen erstellen dann Profile
Und errechnen so Wahrscheinlichkeiten über individuelles Lernverhalten.
Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch: Das Konzept „Learning Analytics“ bietet enorme Chancen in den Bereichen Lernen und Lehren. Eine Lehrkraft kann damit zum Beispiel testen, wie gut eine neue Lernmethode funktioniert. Ein Schüler kann herausfinden, wie lange er im Durchschnitt für einzelne Schritte einer Mathe-Aufgabe braucht. Learning Analytics kann helfen herauszufinden, wo individuelle Schwächen und Wissenslücken liegen.
Es gibt jedoch auch große und begründete Bedenken, gegen eine überstürzte Einführung an Schulen. Sowohl aus pädagogischer Sicht, als auch in Hinblick auf Datenschutz. Aus pädagogischer Sicht müssen wir aufpassen, dass das Sammeln von Daten kein Selbstzweck wird. Learning Analytics ist pädagogisch erst dann relevant, wenn aus der Unmenge Daten auch wertvolle Aussagen entstehen. Denn Lernverhalten ist ein Bildungsprozess, der nicht vollständig statistisch erfasst werden kann. Wenn die Statistik zum Beispiel sagt, dass eine Schülerin schlecht in Grammatik ist, dann können auch persönliche Umstände dafür verantwortlich sein. Bei der Auswertung von nackten Daten ist also Vorsicht geboten.
Und besonders wichtig ist natürlich auch die Frage des Datenschutzes. Denn wie beim Online-Shoppen, so hinterlassen wir auch beim digitalen Lernen Spuren. Spuren, mit denen sich wunderbar ein Profil zusammenschustern lässt. Ein Profil, mit dem man unser Verhalten vorhersagen kann. Ich will nicht verantworten, dass das Datenprofil hinter einer Person, wichtiger wird, als die Person selbst.
Glücklicherweise erkennt die FDP einige dieser Probleme und schreibt, dass sie, Zitat, „eine Vermarktung“ von Profilen, die Learning Analytics von Schülerinnen und Schülern erstellt, „verhindern“ will. Das hat mich besonders bei Ihnen gefreut, werte Kolleginnen und Kollegen der FDP. Eigentlich wollen Sie ja immer so viel wie möglich dem „Markt“ unterwerfen. Schön, dass Sie bei den Daten unserer Kinder halt machen.
Meine Damen und Herren,
lassen Sie uns die Fehler aus den USA nicht wiederholen. Wenn schon die amerikanische Öffentlichkeit gegen das Sammeln und Analysieren von Schülerdaten protestiert, dann ist Vorsicht geboten. Schließlich haben die USA ein deutlich laxeres Verständnis von Datenschutz, als wir hier in Europa. Für uns ist Datenschutz ein Grundrecht, und nicht verhandelbar!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP!
Ihr Antrag hat durchaus einige gute Punkte. Und ich finde es gut, dass Sie die Debatte weiter vorantreiben. Aber zu viele Fragen bleiben einfach noch offen: Hat Learning Analytics Zugang zu privaten Daten? Wer kann diese Daten sehen? Wie kann eine Anonymisierung sichergestellt werden? Und wie verhindern wir eine mögliche Re-Personalisierung?
Es ist gut, dass wir diese offenen Punkte mit der „KI-Strategie der Bundesregierung“ angehen. Mit ihr untersuchen wir die Einsatzmöglichkeiten von Learning Analytics. Und zwar unter voller Berücksichtigung ethischer und datenschutzrechtlicher Fragestellungen. Wenn all diese Fragen geklärt sind, dann wird Learning Analytics kommen. Und mit all seinen Vorzügen unsere Schulen begeistern.
Vielen Dank!