Das Wahlrecht ist eine tragende Säule unserer Demokratie. Trotzdem dürfen viele Menschen mit Behinderungen bei Wahlen ihre Stimme nicht abgeben. Das ist Diskriminierung. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist es uns mit der SDP-Bundestagsfraktion endlich gelungen, gegenüber CDU/CSU das volle Wahlrecht auch für alle Menschen mit Behinderungen durchzusetzen.
Als langjährige Lehrkraft an einer vollinklusiven Schule weiß ich, wie wichtig Teilhabe an der Gesellschaft, zum Beispiel in Schule und Freizeit, für Kinder mit und ohne Behinderung ist. Viel ist in den letzten Jahren erreicht worden, mehr muss und wird folgen. Ich freue mich sehr, dass das inklusive Wahlrecht jetzt endlich kommen kann.
Am 29. Januar 2019 hat das Bundesverfassungsgericht die Wahlrechtsausschlüsse im Bundeswahlgesetz unter anderem für Menschen unter Vollbetreuung für verfassungswidrig erklärt. Nach langen Verhandlungen haben wir uns in den Koalitionsfraktionen auf einen gemeinsam Antrag geeinigt, der am morgigen Freitag im Bundestag debattiert und abgestimmt werden wird. Damit wird der Auftrag des Verfassungsgerichts umgehend umgesetzt.
Bereits im Koalitionsvertrag war festgelegt worden, dass die Wahlrechtsausschlüsse für Menschen unter Vollbetreuung aufzuheben sind. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist der finale Anlass für die Koalitionsfraktionen gewesen, die verfassungswidrigen Wahlrechtsausschlüsse im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz nun umgehend aufzuheben.
Der nun vorliegende Antrag kündigt einen Gesetzentwurf an, in dem die Wahlrechtsausschlüsse im Europa- und im Bundeswahlgesetz ersatzlos gestrichen werden. Darüber hinaus werden Möglichkeiten einer Wahlrechtsassistenz für Menschen mit Behinderung geschaffen.
Der Gesetzentwurf wird zeitnah vom Bundestag verabschiedet werden und soll zum 1. Juli 2019 in Kraft treten. Die Europäische Kommission für Demokratie und Recht (Venedig-Kommission) hat festgelegt, dass Änderungen am Wahlrechtssystem jeweils mindestens ein Jahr vor einer Wahl erfolgen sollen. Andernfalls besteht die Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme auf den Wahlvorgang.
Eine Geltung des geplanten Gesetzes noch für die am 26. Mai 2019 stattfindende Europawahl war daher nicht möglich. Alle künftigen Europa- und Bundestagswahlen werden jedoch ohne Wahlrechtsausschlüsse stattfinden.
Ich hoffe, dass jetzt auch all diejenigen Bundesländer ein inklusives Wahlrecht einführen, die dies bislang noch nicht getan haben. Mein heimisches Bundesland Niedersachsen befindet sich hier erfreulicherweise bereits auf der Zielgeraden. Ende März wird das Gesetz voraussichtlich im niedersächsischen Landtag beraten.